Liebe Leserinnen, liebe Leser,
von einer „Zeitenwende“ hat Olaf Scholz gesprochen im Hinblick auf den Ukraine-Krieg. Tatsächlich erleben viele Menschen eine Wende schon länger: Seit Corona ist irgendwie nichts mehr, wie es einmal war. Plötzlich fehlen überall Fachkräfte, die Auswirkungen des Klimawandels sind auch bei uns spürbar, unser Wohlstand ist gefährdet und selbst die Jungen scheinen den Herausforderungen nicht gewachsen: Die Zahl der
psychischen Erkrankungen gerade bei Jugendlichen nimmt dramatisch zu.
Persönlich erlebe ich in der Gemeinde und meinem privaten Umfeld sehr viel Orientierungslosigkeit und Unsicherheit. Auch die Kirchen stecken in der Krise. Missbrauchsskandale, hohe Austrittszahlen, fehlender Nachwuchs: Nicht nur bei den Katholiken, auch bei uns weiß man seit vielen Jahren, dass es nicht so weitergehen kann und wird.
Der rasche Wandel überfordert viele Menschen. Manche sehnen sich zurück nach der „guten, alten Zeit“. Andere gehen in die innere Opposition und verweigern sich einfach: Da gelten dann plötzlich „alternative“ Fakten. Viele ziehen sich zurück ins Private und warten einfach ab, wie das alles wird. Wenige sind beim Blick in die Zukunft zuversichtlich.
Als Pfarrer und Verantwortlicher in der Kirche weiß ich, dass es sicher nicht besser werden wird – wer es wollte, konnte das schon vor Jahren sehen. Trotzdem möchte ich zuversichtlich bleiben. Schließlich arbeite ich nicht für einen Verein, den sich
irgendwelche Menschen irgendwann einmal ausgedacht haben. Ich arbeite für den Herrn der Welt, den Schöpfer des Himmels und der Erde. Dass ich das hauptberuflich tun darf, sehe ich als Privileg!
Deshalb mache ich mir auch wenig Sorgen um die Zukunft der Kirche. Sicher: Kirche wird sich verändern, wahrscheinlich sogar ziemlich radikal. Aber es wird sie weiter geben. Es wird immer Menschen geben, die Gott suchen und sich nach seinen Worten richten. Es wird immer Menschen geben, die in den Worten Jesu Antworten auf ihre Fragen, Sinn und Halt finden. Jesu Worte gelten: „Himmel und Erde werden vergehen, aber meine Worte werden nicht vergehen.“ (Mt 24, 35)
Manche Umbrüche und Veränderungen bieten auch eine Chance für die Kirche: Wir sind gezwungen, uns auf das zu besinnen, was uns trägt. Bislang ist die „Konzentration auf das Wesentliche“ ein nettes Schlagwort, in Zukunft aber wird wieder deutlich werden, was das Wesentliche ist und was unser Wesen als Christen ausmacht. Christen sind Hoffnungsmenschen – das sollten sie zumindest sein! Unsere Welt braucht Menschen, die Hoffnung und Zuversicht geben, die angesichts Herausforderungen den Mut nicht verlieren, die den Herrn der Geschichte kennen und bei ihm für die Welt eintreten. Angst, Verbitterung und Resignation beherrschen viele Menschen, aber sie sind das Gegenteil von
Glaube. Die Welt braucht vielleicht keine Kirche, aber sie braucht Christen, also uns.
Nehmen wir also unsere Aufgabe in dieser Welt wahr! Glauben wir tapfer, leben wir fröhlich, beten wir fleißig – im Vertrauen darauf, dass Gott unser Leben hält und trägt, immer, bis wir bei ihm sind. Und dass er seit Ewigkeit weiß, was er tut!
Ihr
Pfarrer Markus Müller